Die Macht kultureller Traditionen

Veranstaltungen der Vorlesungsreihe

Kulturelle Traditionen prägen Gegenwart, binden sie an das Vergangene, Geltende, Vertraute ihres Überlieferungsraumes. Kaum reflektiert beeinflussen sie Denken, Fühlen und Handeln. Der Mensch findet sich immer schon in ein kulturelles Umfeld gestellt, das seine Entwicklung, seine Sprache, seine Erfahrungen mit der ihn umgebenden Welt formt. Diese Bedingtheit durch und Abhängigkeit von der kulturellen Sphäre, die menschliche Kulturalität, gibt kulturellen Traditionen Bindungskraft und Macht. Kulturelle Gemeinschaften definieren sich über Staat, Ethnie, Religion o.ä. Sie bedürfen der Überlieferung und Fortführung von Traditionen zur Stiftung von Zugehörigkeit nach innen und zur Abgrenzung nach außen. Gemeinsame Lebenseinstellungen und Wertvorstellungen, Symbolwelten und Erzählstoffe, Rituale und Praktiken geben Orientierung und fördern die Identitätsbildung der das jeweilige Kollektiv konstituierenden Individuen.

In der sich globalisierenden Welt treffen jedoch kulturelle Traditionen mit divergierenden Lebensformen, Denkweisen und Glaubensrichtungen räumlich und zeitlich, konfliktiv oder friedlich aufeinander. In modernen Gesellschaften können unterschiedliche Traditionen nebeneinandern oder miteinander gelebt werden – eine existentielle Herausforderung für jede einzelne Person. Inwieweit erweisen sich die je eigenen kulturellen Traditionen als trag- und anschlussfähig? Bilden wir plurale oder multiple Identitäten aus? Entstehen "dritte Räume" und "hybride" Formen? Nicht nur Prozesse des Traditionswandels und -verlustes, sondern auch ein Festhalten an kulturellen Traditionen bis hin zu Regionalismus und Fundamentalismus zeichnen sich ab. Die Pluralität kultureller Traditionen und Positionen kann als Bedrohung, aber auch als Chance verstanden werden.

Welche Bedeutung kulturelle Traditionen besitzen – auf denen nicht zuletzt Gegenstand und Selbstverständnis der Wissenschaften beruhen – und welche Rolle sie in der Situation der Gegenwart spielen, ist Thema dieser interdisziplinären Vorlesungsreihe, zu der Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften beitragen.